Oma, an dieser Stelle sei gesagt, dass ich mich bisher essenstechnisch nicht beschweren darf. Wenn ich weiterhin so einen kräftigen Appetit habe und entsprechend gut esse, dann werde ich wohl genährt wieder heimkehren. Wer weiß, vielleicht brauche ich in den kommenden Wochen nicht einmal die Dienste des großen goldenen „M“ oder seines Pendants, dem „Frikadellen-König“ in Anspruch nehmen.
Heute habe ich jedenfalls die Zeit genutzt, ein wenig Schlaf nachzuholen. Anne, meine Gastgeberin aus der Vornacht, hatte mich an Karim und Aurelien weiter vermittelt, nachdem mir kurz zuvor ein anderer Couchsurfer abgesprungen ist. Soviel vorab. Die Couch von Karim ist nicht pink gewesen – so, wie in den Kommentaren meines Blogeintrags von gestern vermutet.
Beim Abendessen, es gab Pasta mit Speck und Käse, dazu herrlich gekochte Tomaten mit Zwiebeln und Kräutern, bemerkte ich erstmals, dass die Gespräche scheinbar in Zeitraffer geführt werden. Allen scheint bewusst, dass nur begrenzte Zeit für einen interessanten Austausch bleibt. Und so erzählt jeder in aller Kürze etwas aus seinem Leben. Natürlich muss ich sehr ausführlich von meinem Projekt erzählen. Wie es dazu kam. Wie ich mir den weiteren Verlauf vorstelle.
Was mir erst spät bewusst wird, ist, dass ich auf dem Sofa eines kleinen „Stars“ übernachte. Karim war fast den ganzen Abend damit beschäftigt E-Mails und Telefonanrufe von Fernseh- und Radiosendern zu beantworten. Das Besondere an dem 20-Jährigen ist sein „Coming out“ als Schwuler in Zusammenhang mit seiner Herkunft. Nicht nur, dass Karim Moslem ist, er stammt zudem aus einem Pariser Vorort, der als extremer sozialer Brennpunkt bekannt ist. „Gewalt, Armut und schlechte Bildung herrschen dort vor“, erklärt mir Karim beim Abendessen. Außerdem sei ausgerechnet dieser Vorort für die extreme Homophobie bekannt. Vor ein paar Tagen ist ein großer Artikel über Karim in einem Pariser Magazin erschienen, jetzt ist es aus mit der Geheimniskrämerei. In der vergangenen Woche wurde sein Tagesablauf durch TV-Interviews bestimmt. Heute Abend läuft die erste Ausstrahlung. „Es ist etwas ungewiss, wie meine alten Bekannten aus meinem Vorort reagieren, wenn sie mitbekommen, dass ich schwul bin“, sagt Karim.
Auf dem Foto ist vielleicht zu erkennen, dass ich gestern zum Friseur war (wie im Grußvideo im vorherigen Blogeintrag angekündigt). Außerdem sitzen mit mir beim Essen (von links): Aurelien, Karim, Anne und Etienne (ein Freund, der gestern auch zu Besuch war).
So, das war es erstmal für heute. Morgen geht es für mich nach Lissabon. Ach ja, wir müssen vielleicht mit „Störfeuer“ bei den Kommentaren rechnen. Zumindest haben das die beiden Moderatoren von WDR 1Live heute Morgen beim Radiointerview mit mir angekündigt. „Wir werden dann mal ein paar fiese Sachen in den Blog schreiben, um dich zu ärgern“, haben sie gesagt. Nun, meine Antwort: „Macht mal ruhig, ich bin in der Hinsicht recht unempfindlich“.
In diesem Sinne, viel Spaß beim Kommentieren.
Daniel