Lebendfutter in Hongkong (Hinweis: Nachtrag wg. Internetblockade in China)

Nov 6, 2009Allgemein

Ich, eine Spaßbremse? Das lasse ich doch nicht auf mir sitzen! Nachdem einige Kommentatoren in meinem Blog verlauten ließen, ich solle mich mehr auf meiner Reise vergnügen, habe ich in Hongkong sogleich Initiative ergriffen und habe gleich an allen drei Nächten in der Metropole die Nächte zum Tag werden lassen. Dabei mussten leider auch ein paar Maden ihr Leben lassen.

Aber fangen wir mal wieder von vorne an. In Hongkong angekommen durfte ich mich zunächst mit einem äußerst unfreundlichen Busfahrer herumschlagen. „33 Dollar, now“, fährt er mich an. Dabei will ich doch vor dem bezahlen nur wissen, ob ich den richtigen Bus besteige. Er will mir die Antwort nicht geben. „33 Dollar, now. Do you don’t understand?“ Hier ist offensichtlich, wer von uns beiden nicht wirklich die englische Sprache beherrscht. Gut, dass sich zwei andere Passagiere mit den Worten „He’s stupid“ meinem Anliegen annehmen. Ich befinde mich also im richtigen Bus. Mit den Worten „Welcome to Hongkong“ bezahle ich die 33 Dollar.

Dafür sind meine Gastgeber umso freundlicher. Erica und ihre Freundin Yanni wollen mit mir auch gleich nach meiner Ankunft in der Innenstadt Hongkongs auf ein Weinfestival. Doch wohin mit meinem Gepäck? Bis zu Ericas Wohnung ist es zu weit. Mit Rucksack und zwei weiteren Taschen aufs Festival? Nein, den Stress will ich mir nicht antun. Kurzerhand schlage ich im Holiday Inn auf und frage höflich, ob das Hotel mich bei meinem Projekt nicht unterstützen wolle. Sofort erklärt Nicole, die junge Guest Relations Managerin, bereit, das Gepäck aufzunehmen und einige Stunden für mich zu verwahren. Nach ein paar Minuten stellen wir fest, dass sie auch aus Deutschland stammt. Aber sie zieht es dennoch vor, lieber Englisch mit mir zu sprechen. Wie auch immer, die Bahn ist frei fürs Weinfestival. Ohne Gepäck lässt es sich doch viel besser am Weinglas nippen. Als Fotomodell heiß begehrt: Alisson aus Australien. Jeder möchte sich einmal mit der attraktiven Dame auf dem Weinfestival ablichten lassen. Warum nicht auch ich?!

Naja, neuer Tag, neuer Gastgeber, neue Partynacht. Ida hat erst gerade begonnen, so genannte Couchsurfer aus aller Welt bei sich aufzunehmen. Ich bin an diesem Abend nicht der Einzige, der bei ihr Unterschlupf findet. Auch Tasha, ein Amerikaner der gebürtig aus Russland stammt, teilt sich mit mir das Zimmer. Ich darf die Couch nutzen, er wird sich gleich nach der Partynacht auf den Weg zum Flughafen machen. Für ihn geht es weiter nach Thailand. Zuvor erleben wir aber noch eine wirklich außergewöhnliche Nacht in Hongkong. Nachdem wir typisch asiatisch essen gehen (dabei treffe ich auch auf meinen nächsten Couchsurfer, der mir spontan eine Couch anbietet, nachdem er von meinem Projekt erfährt), führt es uns in den Club No. 1. Dort gilt für den Abend: freie Getränke für 320 Hongkong-Dollar (etwa 30 Euro).

Wer mein Tagesbudget kennt, weiß, dass ich damit weit über meine Grenze hinausgehe. Aber was soll ich machen? Mich für die nächsten Stunden vor die Tür stellen und warten bis der Party-Tross zurückkehrt? Nein! Stattdessen schweift mein Blick am Eingang auf ein Glas voller lebender Maden. Ich witzle: „Bekomme ich freien Eintritt, wenn ich eine von denen esse? Die Antwort folgt prompt: „Du bekommst 100 Hongkong-Dollar Rabatt, wenn Du zehn isst“, sagt der Kassierer. Spontan sage ich: „O.K.!“

Ich vergaß zu erwähnen, dass ich zuvor im Fahrstuhl zum Club per Zufall vier Deutsche kennenlernte, die im Zuge ihres MBA-Studiums in Asien unterwegs sind: Kathrin, Sven, Christoph und Matthias werden sodann Zeugen meines wagemutigen Rabatt-Projektes und halten dies auch im Bild fest. „Lass ein paar Maden fallen“, rät mir Matthias. Im Eingangsbereich war es dunkel genug. Aber leider entscheiden sich nur zwei der zehn Maden für den freien Flug auf den Boden. Die anderen Acht landen in meinem Munde. Ich kaue. Und kaue. Um schließlich die Überreste in meinem Schlund verschwinden zu lassen. Was soll ich sagen, so schlecht haben die Viecher gar nicht geschmeckt und gelohnt hat es sich für mich auch noch. Doch der Kassierer wittert Betrug. „Du hast welche fallen lassen“, sagt er. Doch es liegt nur eine Made auf dem Boden. Die andere segnete das Zeitliche unter Matthias’ Schuhsohlen. Naja, das Ende vom Lied: Acht bzw. Neun waren genug für den Kassierer und ich habe 100 Hongkong-Dollar sparen können.

In der dritten Nacht in Hongkong komme ich schließlich bei Andy unter. Ein Englisch-Lehrer, der seit mehr als einem Jahr in Hongkong unterrichtet. Gemeinsam mit seinem Freund Richard führt es uns zunächst in den Foreign Correspondent Club (ein Club, überwiegend für Journalisten und nur mit gültigem Ausweis zugänglich). Eigentlich wollen wir uns ein Football-Spiel der Yankees zu später Stunde anschauen. Aber leider finden wir keine geeignete Bar, die das Spiel überträgt. Und so holen wir uns ein Bier nach dem anderen in kleinen Kiosken (den so genannten 7elevens), wo es zwei halbe Liter Tsing Tao Bier für umgerechnet 1.50 Euro gibt. Was für ein Schnäppchen! Allerdings hat das Schnäppchen zur Folge, dass ich am nächsten Tag nicht klaren Kopfes genug bin, um zu bemerken, dass ich die Uhrzeit auf meinem Mobiltelefon umzustellen. Beinahe hätte ich meinen Flug nach Peking verpasst. Gut, dass man mitten in Hongkong bereits an der U-Bahn-Station einen Check-In-Schalter finde. Gerade rechtzeitig. Zum Check-In am Flughafen hätte ich es nie und nimmer geschafft. Der Flug hat zudem 1,5 Stunden Verspätung – als hätte ich es geahnt.

Und so finde ich mich in Peking wieder. Bei -2 Grad Celsius. Irgendwie bin ich froh über den Klimawandel. Nach 31 Tagen Hitze genieße ich den Blick auf die verschneiten Start- und Landebahnen. Doch diese Freude währt nicht lang. In dieser Nacht friere ich sehr. In der Wohnung meines Gastgebers herrschen Minusgrade (in China werden die Heizungen erst Mitte November aufgedreht) und auch die zweite Nacht sitze ich mit „Eisfüßen“ auf dem Sofa. Oh, ich sehe, hier gibt es einen elektrischen Heizer. Meine Gastgeber Christian (aus der Schweiz), Frank (aus Polen) und Fabienne (aus Frankreich) haben vorgesorgt. Frank stellt den Heizer an. So können ich und William (ein weiterer Couchsurfer) diese Nacht vielleicht besser schlafen und ich mich weniger gestresst auf den Weg nach Shanghai machen. Vielleicht…

Besten Gruß aus China,

Daniel

Hopkins’ Storyhood

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