Neil, der amerikanische Austauschstudent meines besten Freundes Christian, empfängt mich am Flughafen in New York City. Vor einigen Jahren haben ir in Osnabrück viel Zeit verbracht und nun will Neil “ein ebenso guter Gastgeber sein, wie du und Christian es gewesen seid”, wie er sagt. Ich gebe ein komisches Bild am Flughafen ab. Kurze Hose, kurzes Hemd, Sandalen. Die Temperatur in New York liegt etwa 20 Grad Celsius niedriger als auf den Bahamas. Aber meine kalten Füße werden schon bald in Neils Auto gewärmt.
Unser Weg führt uns zunächst nach Carlisle, etwa drei Stunden Autofahrt vom Flughafen La Guardia entfernt. Dort warten schon Insa und ihre Kommollitonen im “Dickinson”-College auf uns. Insa hatte mich vor einigen Wochen per E-Mail angeschrieben:
“Sehr geehrter Herr Hopkins,
ich bin Studentin am Dickinson College, Pennsylvania, USA und schreibe gerade an einer Arbeit über Couchsurfing. Ich couchsurfe selbst, hoste Couchsurfer und bin ein großer Fan. Ich finde Ihre Idee super und würde sie gerne in meine Arbeit einbringen. Ich weiß, sie reisen gerade durch die Weltgeschichte, aber ich dachte ich frage trotzdem mal, ob sie in den nächsten Tagen eventuell die Zeit hätten mir ein paar Fragen per E-Mail oder Telefon zu beantworten. Es wäre eine Bereicherung für meine Arbeit. 😉
Ich würde mich freuen von Ihnen zu hören.
MfG,
Insa Kohler”
Selbstverständlich habe ich ihr bei ihrer Arbeit geholfen. Zusätzlich bot sie mir noch die Couch in ihrer “College-Residenz” an. Und so finden Neil und ich uns an diesem Abend auf den Couchen wieder – ausnahmsweise also mal zu Zweit. Carlisle ist nicht besonders groß, hat etwa 18.000 Einwohner und drei Bars. “Wir werden Euch in eine davon entführen”, sagt Insa. Es begleiten uns Matt, Rick und Jessie (war doch ihr Name, oder?). Nach einigen Bieren zieht es uns zurück zur Residenz. Aber auf dem Weg dorthin müssen wir noch einen Abstecher zur Statue des Gründers des College machen. “Es ist so etwas wie eine Tradition, dass wir auf die Statue klettern und alberne Fotos machen”, erklärt uns Insa. Kein Problem für mich. Also steige ich auf Mr. Dickinson und lasse mich ablichten. Der Tag endet – wie so oft in den vergangenen Wochen – für mich erst am frühen Morgen.
Bevor wir uns von Insa und ihren Freunden verabschieden geht es für uns noch in die Mensa. Matt lädt uns zum typischen Studentenessen ein. “Die Mensa der Uni Osnabrück hat einen sehr guten Ruf, hat schon mehrere Preise für das gute Essen erhalten”, sage ich. “Na, dann warte mal ab, bis du unser Essen probiert hast”, erwidert Matt. Naja, sagen wir mal so: Es schmeckt mir gut, aber von der Qualität des Mensaessens in meiner Heimatstadt ist es meilenweit entfernt.
Am späten Nachmittag treffen Neil und ich bei ihm Zuhause in Cherry Hill ein, nachdem mir mein US-amerikanischer Freund per Auto Philadelphia gezeigt hat. “Morgen machen wir den Rocky auf den Stufen zum Art-Museum”, verspricht mir Neil. Das Video werde ich die kommenden Tage bearbeiten. Ich hoffe, ich kann es bald online stellen.
Wir finden uns also am Folgetag in Philadelphia wieder. Zweimal renne ich die Stufen hinaus, strecke meine Arme in den Himmel, die typische “Rocky-Musik” stelle ich mir im Geiste dazu vor. Nachmittags feiern wir mit Matt (ein enger Freund von Neil) und Familie sowie anderen Freunden seinen 30. Geburtstag mit Sushi. Es fließt reichlich Wein und Saki, ehe es plötzlich heißt: “Auf geht es nach Atlantik City!” Darauf haben sich die Männer schon die ganze Woche gefreut, sagt mir Neil. Ein Spieleabend im Kasino “Tropicana”. Und so komme ich erstmals in den Genuss, “Crabs” – ein beliebtes Würfelspiel – kennenzulernen. Zumindest weiß ich nun, dass ich ganz sicher nicht dazu geboren bin, “Crabs” zu spielen…
Die Nacht verbringe ich auf der Couch von Neils Schwester und ihrem Freund Anthony. Leider lerne ich beide nicht wirklich kennen. Zu wenig Zeit bleibt uns für ein ausführliches Gespräch, muss ich mich doch schon am Mittag wieder auf den Weg nach New York City machen, um meine nächste Gastgeberin Lysa Cooper aufzusuchen. Neil gibt mir noch zwei Dosen “5-Hour-Energy” mit. “Für den Notfall, du siehst sehr geschafft aus”, sagt er. Tatsächlich bewirken die gerade mal 59 ml großen Energielieferanten Wunder. KEIN Wunder. Ich schaue auf die Angabe der Inhaltstoffe: 30 mg Niacin, 40 mg Vitamin B6, 400 mcg Folsäure, 500 mcg Vitamin B12 und 1870 mg Energie-Mix (Taurine, Glucone und vieles mehr). Naja, damit halte ich mich vielleicht die letzten 14 Tage meines Projektes einigermaßen auf die Beine. Zurück in Deutschland brauche ich diese “künstliche” Hilfe sicher nicht mehr.
Überhaupt fühle ich die Strapazen des Projektes mehr denn je. Schlafentzug, zuweilen unbequemes Liegen – es macht meinem Körper sichtlich zu schaffen. Mein Rücken schmerzt. Meine Augen brennen immer wieder vor Müdigkeit. “Dann ruhe Dich doch einfach mal aus”, werden einige jetzt sicher denken. Tatsächlich ist es so, dass ich es versuche. Doch, was helfen einem zehn Stunden Schlaf, wenn die Schlafstätten (in diesem Fall unbequeme Couchen) eine erholsame Nacht praktisch unmöglich machen. Zudem kommt noch, dass ich jeden Tag bei neuen Gastgebern sitze, die sich gerne mit mir unterhalten oder mit mir ausgehen wollen. Aufzutauchen und sich einfach hinlegen? Nein, das wäre nicht gerade die feine Art.
So, wie auch bei meiner Gastgeberin Lysa Cooper. Die US-Amerikanerin ist sehr erfolgreich im Modebusiness unterwegs. Arbeitet unter anderem mit Sängerin Rihanna, mit Paris Hilton und weiteren “Stars”. An diesem Abend lädt sie eine Menge Freunde zu sich zum Dinner ein. Wir haben einen wirklich schönen Abend, wie man vielleicht dem kurzen Videoausschnitt (wird vielleicht heute Abend nachgeliefert, da er zur Zeit noch hochgeladen wird – langsame Internetverbindung hier) entnehmen kann.Irgendwie hat Lysa etwas magisches an sich. Nicht zu beschreiben. Sie kann jedenfalls Menschen mit einem fast unbeugsamen Bezug zur Realität und einer großen Skepzis gegenüber alles nicht zu erklärende in das Reich der Fantasie entführen. Ich betone an deser Stelle, dass bei dem Gespräch keine Drogen im Spiel waren. Und so philosophieren wir über das Schicksal, die Bedeutung der Gegenwart und wie es sagt “den Kreis des Lebens”.
Es geht für mich wieder erst spät ins Bett. Die Uhr zeigt 2:30 Uhr an. Am Morgen will ich wieder früh aus den Federn bzw. aus dem Schlafsack. Wenn ich schon in New York bin, dann will ich auch was von der Stadt sehen. Und so zieht es mich heute zum Central Park, Times Square und dem Rockefeller Center. Schon oft haben mir Freunde von der Faszination New Yorks berichtet. Jetzt weiß ich, was sie meinten. Die Stadt zieht einen einfach automatisch in ihren Bann. Für einen Besuch der Gedenkstätte des 9/11 bleibt mir leider keine Zeit. Aber, wie auch schon in Thailand und Neuseeland, bin ich mir sicher, dass ich nicht zum letzten Mal Big Apple besucht habe.
So, es ist spät. Ich muss zur nächsten Couch. Toronto, ich komme…für zwei Tage…
Lieben Gruß aus NYC,
Daniel
P.S. So, ein Schei…!!! Jetzt, wo ich einige Fotos hochladen möchte, bemerke ich, dass ich eine meiner Kameras bei Lysa vergessen habe und auch mein Headset, das ich eigentlich für die Gespräche mit meinem Sohn Liam brauche. Oje, und das passiert mir ausgerechnet in den letzten Tagen meines Projektes.