Kairo raubt mir den Atem

Okt 22, 2009Allgemein

„Man sagt, wenn man sich den ganzen Tag in Kairo im Freien aufhält, dann kommt es dem Rauchen von zwei Schachteln Zigaretten pro Tag gleich“, sagt Judy. Sie und ihr Mann John haben mich heute Nacht beherbergt. Ich huste, und huste, und huste. Für Judy ein bisschen zuviel. Sie ruft einen Arzt an, um Rat einzuholen.

Tatsächlich ist es so, dass mir Kairo die Luft zu rauben scheint. Als ich heute Morgen aufwache, habe ich schwere, sehr schwere Atemnot. Schon gestern plagte mich der Husten sehr. Und ich glaube, das hat mehrere Gründe: Sowohl Judy und John als auch mein Gastgeber von gestern (Peter) haben eine Katze. Ich reagiere sehr allergisch auf Katzen. Hinzu kommt die extreme Luftverschmutzung durch Abgase und den feinen Wüstensand. Besonders der feine Sand bahnt sich seinen Weg in meine Lungen. Als dritter Grund könnte der ständige Wechsel von klimatisierten Räumen in die Hitze und zurück aufgeführt werden. Judy wird mir auf jeden Fall einen speziellen Saft für die Bronchien mit auf die Reise geben. Außerdem halten wir gleich noch an einer Apotheke, um neues Antiallergikum zu holen. Ich hoffe sehr, dass es mir morgen schon wieder wesentlich besser geht.

John arbeitet in Kairo für eine Rüstungsfirma, welche gewisse Leistungen für die Mitarbeiter zur Verfügung stellt. So werde ich gleich mit dem firmeneigenen Taxt kostenlos zum nächsten Couchsurfer gefahren. Medizinische Hilfe können John und seine Familie jederzeit bei einem firmeneigenen Arzt einholen, und viele Dinge mehr. Es ist schon ein gewisser Luxus für mich, so umsorgt zu werden. Habe ich doch auch die Zeit, meinen Blog zu füllen und muss mich nicht mit dem ganzen Gepäck durch die Kairoer Gassen schlängeln, um mich auf den Weg zum nächsten Gastgeber zu machen. John, seine Frau und ich sind gestern Abend in einem eher amerikanischen Restaurant (nein, kein Schnellrestaurant) essen gewesen. Wir führten sehr intensive Gespräche über Religionen und ihre Bedeutung für die Politik einzelner Länder. Hoch interessant. Ich möchte an dieser Stelle nicht allzu sehr ins Detail gehen. Damit würde ich sicher eine Grundsatzdiskussion lostreten.

Das Thema Religion beschäftigte mich auch am Folgetag bei Anas und Sarah. Wie selbstverständlich reiche ich Sarah meine Hand zur Begrüßung. Freundlich, aber bestimmt, sagt sie aber: „Ich gebe Männern nicht die Hand. Das sieht meine Religion so vor.“ Die beiden Studenten wohnen eigentlich in Bayreuth, verbringen jedoch die nächsten drei Monate in Kairo, weil Sarah an der Universität ein Praktikum macht. Sarah werde ich von da an so gut wie gar nicht mehr sehen. „Bei uns im Haushalt herrscht Geschlechtertrennung“, sagt Anas. Empfängt einer von beiden Besuch, trennt etwa ein blickdichter Vorhang die Räume, in denen jeweils die Männer und Frauen unter sich sind, voneinander. Nun, sei es drum. Ich hatte noch nie Probleme damit, die Religionspraktiken beziehungsweise Regeln anderer Menschen zu respektieren oder zu akzeptieren.

Der Unterschied zum Abend zuvor könnte gegensätzlicher fast nicht sein. Erst christliche Bibelrunde, dann tief religiöser Moslem. Und jeder versucht auf seine Weise, mir seine religiösen Ansichten zu erklären und „näher“ zu bringen. Doch keiner versucht mir, seinen Glauben förmlich aufzuzwängen. Das hätte ich ja am ehesten bei Anas erwartet. Doch statt mir ausufernde Referate über den Koran zu halten, verbringt er einen unterhaltsamen Tag mit mir in Kairo und Gizeh. Leider konnten wir nicht mehr direkt zu den Pyramiden, da wir wegen des Verkehrs verspätet in Gizeh ankamen. Dafür sind wir aber hoch zu Ross in die Wüste galoppiert und uns die Pyramiden von einem Aussichtspunkt betrachtet.

Am Abend hatten Anas und sein Freund Malik (der uns den Tag über begleitet hat) noch eine besondere Überraschung für mich. Als einen Abschiedsgruß zitierten sie eine – wie ich finde – passende Stelle im Koran. „Es geht dabei um die Begegnung und das Kennenlernen verschiedener Menschen und Kulturen“, erklärt Anas mir. Und da Malik Rezitator in der Moschee ist, präsentiert er mir den Koranvers in der typischen melodischen Art (ich hätte Euch gerne das Video dazu gezeigt, aber es dauert mehr als sechs Stunden es hochzuladen – vielleicht hole ich das in Asien nach). Irgendwie bin ich ein wenig gerührt. Erst betete die Bibelrunde für mich und meine Reise. Und jetzt dies…

Trotz aller Erlebnisse in Kairo bin ich doch froh, dass ich die Stadt verlassen darf. Kein schwarzer Rotz mehr in der Nase, keine Atemnot, kein mörderischer Verkehr. Tatsächlich, ich lande in Dubai und habe wirklich das Gefühl, wieder freier atmen zu können. Und der Husten scheint auch abzuklingen. Dennoch, Kairo war nicht nur aus gesundheitlicher Sicht atemberaubend. Die zweitgrößte Stadt der Welt hat mich sehr beeindruckt…

Lieben Gruß,

Daniel

Hopkins’ Storyhood

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