Immer schön locker bleiben, Daniel!

Dez 1, 2009Allgemein

Das war vielleicht mal ein Tag. Kannste voll in die Tonne treten. Nun sitze ich hier also auf dem Flughafen in Charlotte, weil ich zur Krönung des besch… Tages nicht richtig auf die Buchungsbestätigung geschaut habe. Statt 21:45 Uhr heißt es dort nämlich 9.45 Uhr (am 1. Dezember). Immerhin befinde ich mich in netter Gesellschaft. Außer mir harren noch ein Franzose (dem ich meinen Schlafsack geliehen habe), eine Australierin, ein Neuseeländer und ein Amerikaner hier aus. Aber fangen wir einfach mal von vorne an.

Zunächst einmal beginnt der Tag damit, dass ich leider nur für wenige Minuten mit meinem Sohn Liam telefonieren kann. Die Videokonferenz fällt aus, weil keine Zeit dafür da ist (dank Zeitverschiebung). Mein Flieger wird schließlich nicht auf mich warten. Ich verlasse extra frühzeitig die Wohnung, um rechtzeitig am Flughafen anzukommen. Mit einem Taxi geht es zur Metro-Station “Zapata” – für 20 Pesos (umgerechnet etwa 1,- Euro). Leider haben wir die Rechnung ohne den mörderischen Verkehr in der Millionenmetropole Mexiko Stadt gemacht. Jetzt stellt Euch einfach mal bildlich vor, wie ich samt 40 Kilogramm schwerem Gepäck im Laufschritt durch die Tunnel der Metrostation hechte. Ich mache mir selbst Mut: “Das schaffe ich noch, das schaffe ich noch!”

Und tatsächlich, nach einem Umstieg (bei dem ich erneut einen langen Marsch durchs Tunnelsystem auf mich nehmen muss), lande ich zumindest in der Nähe des Flughafens. Durchgeschwitzt und voller Hektik suche ich nach dem richtigen Weg zum Flughafen. Mein Blick schweift in die Ferne. Scheiße, ich habe die Station zur falschen Seite verlassen. Einfach umkehren geht nicht. Es sei denn, ich löse eine weitere Karte für die Metro, nur um die breite Straße zu unterqueren. Ich laufe also zum nächsten Taxi, nur 50 Minuten vorm Abflugtermin. “Können Sie mich eben rüber fahren zum Flughafen?”, frage ich den Taxifahrer. Er scheint meine verzwickte Situation genau einzuschätzen. Denn er sagt: “100 Pesos!”. Unverschämt, für diese kurze Strecke. Ich bin zwar total fertig von der Schlepperei, aber verarschen kann ich mich selbst. Mit Hilfe einer typischen Handbewegung zeige ich ihm unmissverständlich, was ich von seinem Angebot halte und gehe zum nächsten Taxi.

Aber auch der kann oder will mir nicht weiterhelfen. “Zum Flughafen”, sage ich. Er fragt: “Terminal 1 oder Terminal 2?” Frag mich was leichteres. Keine Ahnung. “Einfach nur zum Flughafen, da drüben”, sage ich und deute auf das große Gebäude in der Ferne. Es hat keinen Sinn. Der Typ versteht offensichtlich kein Wort und so ziehe ich erbost meines Weges. Im Laufschritt geht es über eine Brücke, etwa 400 Meter auf den Flughafen zu. Es ist heiß, ich bekomme kaum noch Luft. Es ist, als wenn eine tonnenschwere Last auf meinem Brustkorb lastet. Vor Erschöpfng und Schmerz stöhne ich immer wieder laut auf. Endlich erreiche ich den Flughafen und gebe mein Gepäck vertrauensvoll in die Hände eines Servicemitarbeiters – der kostet natürlich. 10 Pesos, aber das ist es mir allemal wert.

Der Check-In-Counter befindet sich allerdings am anderen Ende des Flughafen und plötzlich wird mir bewusst, warum der zweite Taxifahrer so genau wissen wollte, zu welchem Terminal es gehen soll. Die Zeit arbeitet gegen mich. Nur noch 40 Minuten bis zum Abflug.

Endlich komme ich am Check-In-Schalter an. Man erwartet mich schon: “Charlotte?”, fragt mich ein freundlicher Mann und lotst mich zum Supervisor der Airline. “Kann ich meinen Rucksack mit Folie sichern lassen, bevor ich ihn aufgebe”, frage ich ihn, der Schweiß rinnt mir von der Stirn. “Ja, da drüben ist eine Packstation, kostet sie vielleicht so um die 5 Dollar”, sagt er. Ich habe ihn in der Eile offensichtlich nicht richtig verstanden, gehe von 5 Pesos (die auch mit einem Dollar-Zeichen versehen sind) aus. An der Packstation drücke ich dem Mitarbeiter also meine letzten 20 Pesos in die Hand, in der Hoffnung noch Restgeld zu bekommen. Wie sagt man noch? Die Hoffnung stirbt zuletzt?! Der Mitarbeiter begräbt meine Hoffnungen mit einem Grinsen auf dem Gesicht und deutet auf ein Schild: “9 US-Dollar fürs Einschweißen des Gepäcks.” Wie bitte? Ich glaube, ich träume. Das ist moderne Wegelagerei, denke ich. Steht in keinem Verhältnis. Nicht einmal in Europa habe ich mehr als 5 Euro bezahlt. Außerdem habe ich kein Geld mehr in der Tasche. Ich nehme meinen Rucksack, entschuldige mich und sage: “Sorry, no more money.” Und eile zurück zum Check-In-Schalter. Doch der “Einschweißer” folgt mir und will mehr Geld. “Ich habe nichts mehr”, sage ich ihm. Was soll ich machen? Die Folie wieder abreißen. Genauso kommt es. Ich sehe schon bildlich die Gepäckmitarbeiter vor mir, die meinem Rucksack und Schlafsack noch mehr Schaden zufügen.

Dann kommt mir auch noch zu allem Überfluss der Supervisor krumm. Forsch und laut (so, dass es andere Passagiere auch mitbekommen) sagt er: “Das ist Raub, wenn sie nicht mehr zahlen!” Tja, da platzt mir der Kragen. Ruhig, aber bestimmt, vollgeschwitzt und außer Atem sage ich: “Please don’t fuck around with me. Ich hatte einen wirklich schlimmen Tag bis jetzt und sie haben mir gesagt, dass ich nicht mehr als 5 Pesos dafür zahlen muss.”

Kaum ausgesprochen, steht dieser Mann doch tatsächlich vor mir und zerreisst meinen Boarding-Pass. “Sie fliegen heute nicht mehr mit der Maschine.” Wenngleich ich dies für eine absolute Überreaktion von ihm halte und ich dies als blanke Machtdemonstration werte, muss ich mir in diesem Moment eingestehen, dass ich einfach nur die Schnauze hätte halten sollen. Nur leichter gesagt als getan. Diesen Stressfaktor können sich wahrscheinlich nur wenige vorstellen.

Tja, dass ich jetzt doch in Charlotte sitze, liegt daran, dass der Supervisor und ich das “Missverständnis” zwischen uns beiden in einem Vier-Augen-Gespräch bereinigen können. Und was soll ich sagen, ich werde sogar noch überaus freundlich verabschiedet. Dass ich dann in Charlotte noch feststelle, dass ich auf dem Flughafen übernachten muss, kratzt mich dann wirklich gar nicht mehr. Wenn ich eines auf meiner Reise (spätestens in Mexiko) gelernt habe, dann ist es immer schön locker zu bleiben. Komme, was wolle…

In diesem Sinne einen gaaaaanz entspannten Gruß! Habe dann auch noch einen passenden Klassiker gefunden… (naja, zugegeben, Geschmackssache)!

Daniel

Hopkins’ Storyhood

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