Dass ich ein Händchen für außergewöhnliche Zufälle habe, durfte ich bereits mehrfach während meiner Projektreise erleben. Und so wundert es mich eigentlich nicht, dass eine überraschende Begegnung in Rio de Janeiro mich zufällig zum ersten Mal zu einem Gastgeber für Reisende macht. Aber fangen wir mal von vorne an.
Samstagnacht. Spät abends. Rita steht auf der Gästeliste einer exklusiven Party im Copacabana Palace und ich entscheide mich, alleine in dem berühmten Stadtteil Rios auf Tour zu gehen. Nachdem ich meine Freundin beim Hotel abgesetzt habe, mache ich mich auf die Suche nach einem Geldautomaten. Das Bier in den Bars muss schließlich auch bezahlt werden. (An dieser Stelle kurz angemerkt: Nach 22 Uhr zahlen die Automaten aus Sicherheitsgründen nur noch 100 Real (ca. 40 Euro) aus. Danach geht nichts mehr, auch nicht an anderen Automaten.)
Auf einer Parallelstraße zur Strandpromenade stolpere ich über ein großes Loch in der Straße, strauchele, kann mich aber noch im letzten Moment fangen und einen bösen Sturz verhindern. In unmittelbarer Nähe beobachten mich zwei junge Männer dabei. Sie können sich ein Grinsen nicht verkneifen. Ich schaue sie an und merke sofort, die sind nicht von hier. “What the hell”, sage ich laut. “A hole in the mid of the street!” Dabei muss aber auch ich lachen. Ich bin neugierig und frage auf Englisch, woher die beiden stammen. “Allemanha!”, sagen sie unisono. “Ach, dann können wir uns ja auch auf Deutsch unterhalten”, sage ich. Die beiden heißen Chris und David. Sie fragen: “Du kommst also auch aus Deutschland? Wo kommst Du denn her?”. “Aus Osnabrück“, antworte ich. Kaum ausgesprochen, schreien die beiden auf: “Waaaas? Das gibt es doch nicht! Wir wohnen auch in Osnabrück!” Seit einigen Tagen seien sie nun schon in Brasilien und hätten keinen einzigen Deutschen getroffen und nun stoßen sie ausgerechnet auf mich, einen Landsmann aus der gleichen Stadt.Wir beschließen, uns gemeinsam auf die Suche nach einem Geldautomaten zu machen, um anschließend in einen Pub einzukehren. “Ist doch klar, dass wir darauf gemeinsam ein paar Bier heben”, sind wir uns einig.
Ein paar Minuten später klingelt mein Telefon. Rita. Sie sagt mir, die Organisatorin der Party habe mich nun auch auf die Gästeliste gesetzt und ich solle doch ins Copacabana Place kommen. Ich berichte ihr von der Zufallsbegegnung. Kurze Stille in der Leitung, dann sagt sie: “Du kannst Deine Freunde mitbringen. Kein Problem.” Wir treffen Rita also am Hotel. Doch auf die Party gehen wir letztlich doch nicht, denn wir stehen zwar auf der Gästeliste, aber zahlen müssen wir trotzdem – und das nicht zu knapp. Erstens reicht mein Geld nicht, um später auch noch die Taxifahrt nach Hause zu zahlen. Zweitens wollen wir auch nicht soviel Geld ausgeben. Wir entscheiden uns, einen nahe gelegenen Pub aufzusuchen. Die Mud Bug Sports Bar. Nach ein paar Getränken steht fest: Rita und ich laden die beiden ein, zwei Tage bei uns in Barra da Tijuca zu verbringen.
Nach ein paar Tagen auf der Ilha Grande schlagen Chris und David schließlich bei uns auf und machen sich somit eigentlich offiziell zu meinen ersten “Couchsurfern” nach meiner Rückkehr als “Extreme-Couch-Hopper”. So richtig trauten sie unserer Einladung zunächst nicht, berichten sie uns später. “Vielleicht lag es ja auch nur am Alkohol, dass ihr uns eingeladen habt und eigentlich wolltet ihr das gar nicht”, meint Chris. Ich berichte ihnen also ausführlicher von meinem Projekt und sie verstehen: Daniel ist ein lockerer Typ, der meint es ehrlich. Rita hat mich im Vorfeld noch gefragt, ob ich den beiden Osnabrückern traue. “Sie erscheinen mir vertrauenswürdig”, sage ich. Außerdem werden die beiden sich schon nicht daneben benehmen oder gar lange Finger bekommen. Ich wohne schließlich in der gleichen Stadt und könnte ihnen im Zweifelsfall nach meiner Rückkehr in die Heimat einen Besuch abstatten.
Tatsächlich haben wir zu Viert eine tolle Zeit hier. Sie besuchen das Barra Shopping Center, eines der größten Einkaufszentren Südamerikas, werfen sch am Strand von Barra da Tijuca (gehört zu den schönsten Stränden Rios) in die Wellen und verbringen eine unvergessliche letzte Urlaubsnacht mit einer handvoll fremden Brasilianern in einer kleinen Bar direkt um die Ecke.
In wenigen Stunden geht ihr Flug zurück in die Heimat. Die Sachen sind gepackt. Sogar noch eine letzte Tour in ein Favela haben die Beiden heute unternommen. Ein guter Freund von Rita, sein Name Beto, hat sich bereit erklärt, Chris und David zu führen. “Das war sooo geil, dass ihr uns eingeladen habt. Ihr seid echt gut drauf”, bedanken sie sich bei Rita und bei mir. Und uns bleibt eigentlich nur übrig, uns auch zu bedanken: “Chris, David! Ihr seid tolle erste “Couchsurfer” gewesen. Wir freuen uns beide auf ein Wiedersehen in Osnabrück!”