Eigentlich wollte ich heute auf die Insel Kho Phi Phi gefahren sein, um meiner ehemaligen Freundin Zohar Aloni zu gedenken. Sie kam Weihnachten 2004 bei dem verheerenden Tsunami ums Leben. Leider habe ich die Fähre nicht rechtzeitig erreicht und ein Boot für mich alleine hätte mich 14.000 Bath (rund 200 Euro) gekostet. Ich habe dankend abgelehnt und mir kräftig in den Arsch gebissen – weil ich es versäumt habe, mich rechtzeitig auf den Weg zu machen.
Ich habe mich also an den Strand gesetzt und hinüber geschaut, auf die Insel Kho Phi Phi, die etwa 45 Kilometer vor Phuket liegt. Zu gerne hätte ich den Gedenkstein von Zohar besucht. Ihr irgendwie doch nahe sein. Es war mir dieses Mal nicht vergönnt. Und so machte ich mich nach etwa einer Stunde in Gedanken an Zohar und ihre Familie mit dem Motorroller auf Erkundungstour. Den Roller habe ich für eine Tagespauschale von umgerechnet 4 Euro vom Vermieter meines heutigen Gastgebers Louie gemietet. Ein ganz schön flotter Flitzer, der mich zuweilen mit weit über 80 Sachen in die entlegendsten Winkel der Insel transportierte. Ein wenig lebensmüde muss man hier schon sein, wenn man sich auf diese Art und Weise im thailändischen Verkehr fortbewegen möchte. Nicht selten musste ich heute brenzlige Situationen ausstehen – ich bin dadurch gefühlte zehn Jahre älter geworden.
Naja, ich möchte heute aber mit meinem Blog weniger meine Erlebnisse auf dem Motorroller niederschreiben, als an Zohar zu erinnern. Ich habe damals – ein Jahr nach ihrem Tod – einen Artikel über sie verfasst, der am 27. Dezember 2005 in der Neuen Osnabrücker Zeitung erschienen ist.
Ich möchte ihn gerne an dieser Stelle ein weiteres Mal veröffentlichen und somit nicht nur Zohar, sondern auch den vielen anderen Opfern der Naturkatstrophe gedenken.
Daniel
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Die Flut riss sie aus dem Bett in den Tod
Viele Osnabrücker vermissen Zohar Aloni
Von Daniel Hopkins
Osnabrück/Kho Phi Phi
Nur ein paar schöne Stunden verbringen Zohar Aloni und ihr Freund Eran auf der Insel Kho Phi Phi. Sie trinken am Abend exotische Cocktails und freuen sich auf erholsame Tage im Paradies. Eran hat endlich Urlaub vom israelischen Militär bekommen. Das Glück scheint perfekt. Doch der Morgen nach der Ankunft auf der Trauminsel ist der Morgen des 26. Dezember 2004, der Morgen des Tsunamis, der Morgen, an dem Zohar stirbt.
Am Vormittag wacht die junge Politikstudentin – die zugleich als Stewardess und Schauspielerin tätig ist – von einem furchtbaren Geräusch auf, fragt: “Maseh?” (“Was ist das?”). Eran bleibt keine Zeit mehr für eine Antwort. Ihr Bungalow wird von der Flutwelle in tausend Stücke gerissen, und die hübsche Frau verschwindet in den Wassermassen. Eran kann sich an einer Baumkrone festklammern und überlebt.
Er bleibt noch 24 Stunden auf der Insel, um Zohar zu suchen. Er ruft ihren Namen, sucht die völlig zerstörte Insel nach ihr ab. Doch auch unter den Toten, die das Meer zurückließ, kann er sie nicht finden. Ein Hubschrauber rettet Eran nach einem Tag und bringt ihn in ein Krankenhaus. Aus der Luft erkennt er das Ausmaß der Katastrophe: Die Natur verwandelte das Paradies in eine Hölle.
Zohars Vater, Offer Aloni, bricht am 27. Dezember mit einem privaten Rettungsteam in die Krisenregion auf. “Wir hatten ja noch Hoffnung, dass unsere Tochter lebt”, berichtet ihre Mutter. Doch die Hoffnung schwindet zwei Tage später: Einem Bergungstrupp fällt ein lebloser Körper mit einem Bauchnabelpiercing auf. Dass es sich dabei tatsächlich um Zohars Leiche handelt, kann nur durch einen DNA-Test und Röntgenbilder ihrer Zähne bestätigt werden.
Dabei fürchtete die junge Deutsch-Israelin den Tod durch ein Bombenattentat. In ihrem Heimatland Israel hätten sich die Menschen zwar an die Gefahr der Selbstmordanschläge gewöhnt, “doch ich habe Angst, mich in einen Bus zu setzen”, gab sie in einem Gespräch mit unserer Zeitung im November 2003 zu.
Die damals 22-jährige Politikstudentin reiste wochenlang für die Organisation “Israel at Heart” durch Deutschland. An Universitäten und Schulen referierte sie über das Leben im von Krisen zerrütteten Israel, das Leben in Tel Aviv mit allen Ängsten und Schrecken während der Zeit der Intifada. Deutsch lernte sie von ihrer Mutter, die aus Osnabrück stammt. Vertieft hatte sie ihre Sprachkenntnisse in den Sommerferien, die Zohar oft im Haus der Großeltern in Osnabrück verbrachte. So fand sie in der Friedensstadt schnell Freunde.
“Sie hat so vielen Menschen Freude bereitet”, erinnert sich Gisela Rinkhoff-Aloni an ihre Tochter. “Doch das Schicksal hat sie uns genommen.” Mit ihr und vielen Freunden waren es mehr als 2000 Menschen, die Zohar die letzte Ehre erwiesen, als sie am 3. Januar dieses Jahres beerdigt wurde.
“Doch Zohars Geist lebt in Israel weiter”, betont die Mutter. So wurde an der Universität in Tel Aviv die Zohar-Aloni-Stiftung gegründet, die Stipendien für bedürftige Studenten finanziert. Zudem strahlt in diesen Tagen das Zweite Israelische Fernsehen eine Reportage über Zohars Leben aus.