Zu gerne hätte ich Euch schon zu Beginn meines Projektes von meinen Schwierigkeiten berichtet, ein Visum für die Einreise nach China zu erhalten. Doch war ich mir nicht sicher, wie gut der Überwachungsapparat des Staates funktioniert und ich dann womöglich doch nicht in den Genuss komme, in China die Couchen unsicher zu machen. Soviel aber schon mal vorab: Ich scheine mir unbegründet Sorgen gemacht zu haben.
Dabei fing alles ziemlich besorgniserregend an. Um ein Visum zu erhalten, musste ich mich zunächst im chinesischen Konsulat in Hamburg vorstellen. So kostete mich allein das Visum inklusive Anfahrt mit dem Zug aus Osnabrück etwa 100 Euro. Aber das ist jetzt nebensächlich. Vor mir war eine Reihe von anderen Personen in der Schlange, die ein Visum beantragen wollten. Keiner brauchte mehr als fünf Minuten, ehe er sich wieder in den Warteraum setzte, um auf die endgültige Erteilung des Visums zu warten. Nun, bei mir sah es ein wenig anders aus. „Sag bloß immer die Wahrheit“, rät mir ein Kollege im Vorfeld. Die chinesischen Behörden könnten gegebenenfalls meine Angaben sehr viel genauer prüfen als bei anderen Antragsstellern. „Nur eine Notlüge könnte die Ablehnung deines Antrages bedeuten“, sagt er. Und so antworte ich wahrheitsgemäß: „Von Beruf bin ich Redakteur“, „ja, ich habe auch politische Artikel verfasst“, „wo ich alles im Ausland schon gearbeitet und gelebt habe? Nun, zwei Mal war ich im Irak und sieben Monate habe ich in Israel gelebt. Außerdem habe ich eine Reihe von europäischen Ländern im Zuge meiner Arbeit als Journalist und auch als PR-Manager bereist“. Die Frau hinter der dicken Glasscheibe runzelt die Stirn und fragt mich erst jetzt nach dem Grund meines Aufenthaltes in China. „Tourist“, antworte ich und erkläre ihr mein Projekt. Einmal, zweimal, dreimal. Als sie schließlich versteht, was ich überhaupt vorhabe, runzelt sie wieder die Stirn. „Sie werden aber nicht viel von China sehen“, sagt sie. Irgendwie habe ich das Gefühl, ich habe mich extrem verdächtig gemacht. Ein Journalist, der unter anderem auch politische Kommentare schreibt, als Auslandskorrespondent im Irak war und zudem ein paar Monate in Israel gelebt hat – das alles spricht wohl nicht gerade für mich. Nach etwa 35 Minuten darf ich also im Wartesaal Platz nehmen. Eine Stunde später bekomme ich meinen Reisepass wieder. Mein Visum ist auf zehn Tage beschränkt (jedes Touristen-Visum läuft auf 30 Tage). Ich frage aber nicht weiter nach, will ich doch ohnehin nur sieben Tage in China verweilen.
Tage später stelle ich mich natürlich die Frage, ob mich die chinesischen Behörden mit meinen technischen Geräten problemlos einreisen lassen. Eine TV-Kamera, ein Laptop, zwei digitale Kameras, eine Kodak-Videokamera, ein Diktiergerät – könnte womöglich etwas zuviel sein. Vorsichtshalber verschicke ich meine bereits bespielten Videobänder per Post nach Hause. „Man weiß nie“, sagte mir ein Freund von der Produktionsfirma. „Eventuell lassen die Behörden die Bänder über einen starken Magneten laufen, dann wären die Aufnahmen nicht mehr zu gebrauchen.“ So etwas habe ich auch schon gehört.
Doch bei meiner Einreise nach China gibt es keinerlei Probleme. Im Gegenteil. Die Passkontrolle läuft hier schneller als in den meisten anderen Ländern. Also, nichts, um das ich mir dort Sorgen machen musste. Und by the way: Für alle James-Bond-Fans… mir ist auch keiner vom Flughafen gefolgt. Glaube ich…
Von den Metropolen Chinas, Peking und Schanghai, bekomme ich in diesen Tagen aber leider nur sehr wenig zu sehen. Für Sightseeing bleibt einfach keine Zeit. So mache ich mich gleich nach meiner Landung in Peking auf den Weg zu einem Amerikaner, der mich für die erste Nacht bei sich aufnimmt. Oje, das war vielleicht mal ein Ritt. Die Schaffnerin hatte mich zwei Stationen zu früh aus dem Bus gejagt, so dass ich kilometerweit mit dem über 30 Kilo schwerem Gepäck durch Peking latsche. Meine Nerven liegen blank. Ich bin total erschöpft. Als ich dann schließlich in der Wohnung meines Gastgebers ankomme, trifft mich der Schlag. Ich habe noch nie in meinem Leben ein solches Drecksloch live erlebt (leider habe ich keine Fotos machen können – ich glaube, mein Gastgeber wäre davon nicht angetan gewesen). Es stinkt, überall liegt Müll herum und die sanitären Anlagen sind eine Katastrophe – ich nutze sie nicht. Ich bin froh, als ich am nächsten Morgen wieder in die Kälte hinaus darf. Bloß raus aus dieser Wohnung! Schon allein, weil ich wegen der klirrenden Kälte nicht schlafen konnte. In der Wohnung herrschten Minusgrade, weil die chinesische Regierung die Heizungen wohl erst Mitte November aufdrehen.
Abends habe ich mehr Glück. Christian und seine beiden Mitbewohner Fabienne und Frank haben einen elektrischen Heizer in der Wohnung stehen. Ich sowie ein weiterer Couchsurfer aus Frankreich (William) verbringen die Nacht also im Warmen. Bevor ich aber bei der Studenten-WG eintreffe, erlebe ich hautnah die ausgesprochen ausgeprägte Gastfreundschaft der Asiaten. Da Christian und seine Freunde noch nicht Zuhause sind, als ich an ihre Tür klopfe, lädt mich Eric, sein Nachbar, kurzerhand ein, in seinem Büro zu warten. In seinem Büro sitzen vier weitere Mitarbeiter, die eifrig auf die Tastaturen ihrer Computer hämmern. Keiner von ihnen spricht Englisch, aber wir verständigen und im wahrsten Sinne des Wortes mit „Händen und Füßen“. 20 Minuten später finde ich mich mit Eric und seinen Kollegen in seinem Auto wieder. Er lädt mich zu einem „Hot-Pot“-Essen im Restaurant ein und wir spielen danach eine Partie Billard (ich habe haushoch verloren…). Gegen 22.30 Uhr bringt er mich schließlich wieder zurück zu seinen Nachbarn. Christian lacht: „Wow, wir wohnen hier und kennen unsere Nachbarn nicht einmal!“
Am nächsten Morgen sitze ich schon wieder im Flieger nach Schanghai. Noch im Airport-Express (Zugverbindung von Peking zum Flughafen) mache ich die Bekanntschaft mit Armin. Einem IT-Techniker aus dem Allgäu, der für einige Zeit in China arbeitete und von Schanghai aus wieder die Heimreise antritt. Da er einige Stunden Aufenthalt in Schanghai hat, ehe sein Flug zurück nach Deutschland geht, entschließt er sich, mit mir und meiner neuen Gastgeberin in Schanghai ein Bier trinken zu gehen. „Lass uns ein Taxi nehmen, das geht wesentlich schneller“, sagt er. Allerdings haben wir nicht mit dem Feierabendverkehr in der Metropole gerechnet. Fast zwei Stunden (statt etwa 40 Minuten) sitzen wir also im Taxi und werden Zeugen von waghalsigen Manövern unseres Fahres. Unterwegs klingelt dann auch noch mein Telefon. Der Radiosender N-JOY meldet sich mit einer Interviewanfrage. Und so gebe ich ein kurzes Interview inmitten hupender Autos im Verkehrstau in Schanghai. Trotz der Verspätung kann Armin uns tatsächlich noch in einen Pub begleiten. Seine Augen leuchten auf, als er ein Erdinger-Werbeschild entdeckt. Das Bier genießt er ausgiebig, ehe es für ihn nur wenige Minuten später wieder in Richtung Flughafen geht. „Das ist mal eine Geschichte, die du noch in 20 Jahren erzählen wirst“, sage ich zu ihm. „“Zwei Stunden Fahrt mit dem Taxi in die Innenstadt Shanghais für ein herrliches Weißbier!“
Meine zweite Nacht verbringe ich in der Wohnung von Meredith und Caroline in Schanghai. Meredith arbeitet selbst für die Organisation Couchsurfing.org und ist dort für die Mitgliederbetreuung zuständig. Sie nutzt die Zeit, um mir ein wenig die Uferregionen der Stadt am Abend zu zeigen. Naja, zumindest ein bisschen Sightseeing für mich. Und wir reden bis in de Morgenstunden über die Möglichkeiten und Entwicklung des Couchsurfing-Netzwerkes. Leider etwas zu lange. Denn am Morgen verschlafe ich und bin gezwungen ein Taxi zum Flughafen zu nehmen. Zu gerne hätte ich den Transrapid genutzt, aber dafür bleibt mir keine Zeit mehr. Auf den letzten Drücker (und um 175 yuan leichter) erreiche ich schließlich den Flughafen.
Und so sitze ich hier nun (um 18.30 Uhr Ortszeit) bei Jane in der Wohnung im 53. Stockwerk mit einem herrlichen Ausblick auf Tokio. Endlich habe ich ein vernünftig laufendes Internet und kann nicht nur meine Videos und Fotos hochladen, sondern auch ohne Hilfe meine Blogeinträge bei stern.de einpflegen. Trotzdem muss ich mich eilen. Denn wie jeden Tag heißt es für mich: Sachen packen und auf zum nächsten Gastgeber.
Also, erstmal lieben Gruß aus Tokio,
Euer Extreme-Couchhopper Daniel