Vorab sei erwähnt, dass es sich bei diesem Beitrag um einen etwas längeren Text handelt. Ich prophezeie folgende Lesezeiten:
8 Minuten (für „normale“ Leser)
25 Minuten (für Leser, die im folgenden Text indirekt oder direkt kritisiert werden und sich überlegen, wie sie dem Autor mit ihrem verbalaggressiven (möglicherweise sinnfreien) Kommentar oder anderweitigen Aktionen Schaden zufügen können)
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Ein Kommentar von Daniel Hopkins
Das nervenaufreibende Jahr 2020 hat endlich sein Ende gefunden. Es wird als das Corona-Jahr in die Menschheitsgeschichte eingehen. Als das Jahr, in dem ein US-amerikanischer Präsident seine mehr als unrühmliche Amtszeit damit garniert, seine Wahlniederlage auf denkbar peinliche Art und Weise nicht anzuerkennen. Als das Jahr, in dem Verschwörungstheoretiker und egozentrische Hetzer Hochkonjunktur mit ihrem Wirken feierten. Ein Jahr, in dem die selbst ernannten „Querdenker“ (im Folgenden „Quarkdenker“, da ich den eigentlich positiv konnotierten Begriff „querdenken“ nur ungern mit den Gesellschaftsfeinden der Quarkdenker-Bewegung in Verbindung bringen möchte) ihren geistigen Dünnpfiff auf unsere Gemeinschaft geschissen und durch ihre Regelverstöße (etwa Nichteinhaltung der AHA-Regeln) Leib und Leben anderer Menschen gefährdet haben.
Unsere Geduld und Leidensfähigkeit im Kampf gegen Falschnachrichten, Verschwörungstheorien und rechte Hetze wurde 2020 leider besonders häufig auf die Probe gestellt. Sowohl bei Diskussionen in den Sozialen Medien als auch bei Unterhaltungen in der realen Welt. Die Quarkdenker dienten dabei lediglich als visueller Indikator dafür, was Mutmaßungen und Hassreden gegen und über Andersdenkende und Institutionen anrichten können. Nahezu jeder Versuch, mit den Vertretern der Quarkdenker in einen konstruktiven Dialog überzugehen, wird leider im Keim erstickt. Indem beleidigt wird, andere Meinungen nicht zugelassen werden, Fakten nicht anerkannt und regelmäßig vom Thema abgelenkt wird. Um nur wenige von vielen Beispielen zu nennen, die eine zielführende Diskussion leider von Beginn an ad absurdum führen.
Ich selbst befasse mich seit fast 20 Jahren relativ intensiv mit dem politischen und kommunikativen Wandel unserer Gesellschaft. Damals wie heute werde ich nicht müde, mein Umfeld zu warnen und meine Appelle zu platzieren: Wenn Mutmaßungen, Lügen und Hetze die Grenzen der Meinungsfreiheit übertreten und somit eine ernsthafte Gefahr für unsere gesellschaftliche Ordnung darstellen, halte ich es für die Pflicht eines jeden vernünftigen Mitglieds unserer Gemeinschaft, dagegen aufzubegehren und den entsprechenden Agitatoren und Verbreitern von fragwürdigen und asozialen Inhalten die möglichen negativen Folgen ihres Handelns vor Augen zu führen. Unterlässt man eine solche Aufklärung, so wird das Schweigen leider oftmals von den Thesenverbreitern als stillschweigende Zustimmung aufgefasst. Sie werden somit darin bestärkt, ihre nicht selten gesellschafts- und menschenfeindlichen Theorien und Aussagen mit zunehmender Vehemenz einem noch größeren Publikum vermitteln zu wollen.
Ich beobachte dabei seit geraumer Zeit, dass der kommunikative Umgang miteinander zunehmend verroht. Der Schein trügt mitnichten, dass Egoisten, Hetzer und Anhänger von Verschwörungstheorien im Jahr 2020 in besonderer Weise in Erscheinung traten. Der Schein trügt allerdings, dass es viele Menschen sind. Die denkbar kleine Minderheit verschafft sich lediglich durch Tabubrüche und lautstarker Proklamation von Absurditäten Gehör und Aufmerksamkeit. Leider richten aber bereits diese wenigen Menschen nachhaltigen Schaden an. Denn immer öfter bleibt es nicht nur bei verbal geäußerter Aggression. Zuweilen verleihen die Irrgeleiteten jeder Couleur ihren darwinistisch anmutenden Phantasien durch handfeste Gewalt Ausdruck.
Wir dürfen allerdings auch glücklicherweise davon ausgehen, dass sich noch eine überwältigende Mehrheit unserer Gesellschaft des gesunden Menschenverstandes bedient und ihr Handeln nach den Prinzipien unserer Solidargemeinschaft ausrichtet.
Meine persönliche Negativbilanz im Umgang mit Menschen, die Hetze, Falschmeldungen und Verschwörungstheorien im Netz protegieren oder fördern, fand gleich in drei verschiedenen Situationen ihre bedauerlichen Höhepunkte. Die folgenden drei Beispiele stehen sinnbildlich für eine zerrüttete Gesellschaft, in der die Ordnung des respektvollen Umgangs miteinander gewaltig ins Wanken geraten ist. Grundlegende und über viele Generationen erarbeitete Regeln der Kommunikation und des Anstands werden unbewusst oder bewusst ignoriert und sorgen für Hass und Zwietracht in unserer Gemeinschaft.
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Der gekränkte Restaurantbetreiber
Für eine – fast schon belustigende – Premiere hat ein Osnabrücker Restaurantbetreiber gesorgt. Erstmalig flatterte bei mir eine Anzeige wegen „Rufmords“ ins Haus. Um eine lange Geschichte kurz abzureißen: Unter einem der fragwürdigen Threads des Gastronomen wurde mir von zwei seiner Bekannten Gewalt angedroht. Ich habe daraufhin meinen Kommentar gelöscht und den Rest der User den Grund für die Löschung genannt. Statt sich allerdings vom strafrechtlich relevanten Verhalten seiner Bekannten zu distanzieren, hielt er es für nötig, sich auf ungebührliche Weise auf meine sachlich vorgetragene Kritik einzuschießen. Seinen folgenden Erpressungsversuchen bin ich nicht nachgekommen. Ich kann nur vermuten, dass gekränkte Eitelkeit und die Gewissheit, dass seine Drohungen bei mir nicht fruchten, dazu geführt haben, dass er den völlig unnötigen Gang zum Polizeikommissariat auf sich nahm.
Es gab zuvor einige Gelegenheiten, wo ich seine Threads mit den tatsächlichen Fakten einer Korrektur unterzogen habe. Die mutmaßlich verzerrte Wahrnehmung des Urhebers führte leider regelmäßig dazu, dass er die Korrekturen nicht als konstruktive Kritik, sondern womöglich fälschlicherweise als persönliche Beleidigung aufgefasst haben könnte. Da auf sachlicher Ebene die Argumente fehlen, könnte womöglich eine Anzeige Abhilfe leisten, könnte er sich wohl gedacht haben.
Dazu muss man wissen, dass jeder eine Anzeige erstatten darf – egal, ob sie berechtigt ist, oder nicht. Die Polizei ist angehalten, den Sachverhalt zu prüfen. Ganz abgesehen davon, dass ich die unbegründete Anzeige für lächerlich und peinlich halte (vielmehr hätte ich einen sehr triftigen Grund gehabt, seine Bekannten wegen Bedrohung nach §241 StGB anzuzeigen), setzen solche Übersprunghandlungen einen völlig überflüssigen Arbeitsprozess – bei den ohnehin überlasteten Justizbeschäftigten – in Gang. Für seine Aktion meide ich natürlich fortan den Kontakt zu diesem Restaurantbetreiber. Und freue mich schon auf den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft. Denn, nach mehrfacher Prüfung durch diverse Experten, konnte nicht im Geringsten ein treffender Ansatz für den Vorwurf des Gastronomen gefunden werden. (Anmerkung vom 10. April 2021: Einstellungsbescheid ist mittlerweile eingegangen.)
Das gefangene Familienmitglied
Besonders traurig macht mich der Umstand, dass ich auch ein enges Familienmitglied aus Irland an Verschwörungstheorien „verloren“ habe. Dieses Mitglied zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass es als hartnäckiger Corona-Verharmloser gegen „das Establishment“ und all „die Unwissenden“ hetzt. Andere, enge Familienmitglieder gaben mir den Rat, sich von dieser Person zu distanzieren, da er nicht nur sich, sondern auch sein Umfeld mit seinem Handeln schade.
Spätestens als er mir einreden wollte, er kenne „die Wahrheit“ und ich sei einer von den Idioten, die sich von den weltweiten Regierungen an der Nase herumführen ließen, habe ich den Rat befolgt. Die Vehemenz, mit der er seine Absurditäten vertritt, gepaart mit einer konsequenten Beratungsresistenz und der Verweigerung sich den tatsächlichen Fakten zu stellen, sind ein untrügliches Zeichen dafür, dass er in seiner Filterblase gefangen ist und er ihr womöglich nur mithilfe von psychologischer Expertise entrinnen kann.
Gleichwohl ziehe ich auch aus diesem unglücklichen Umstand meine Lehre: Mäßige Deinen Anspruch, jemanden mit Fakten „bekehren“ zu wollen. Und das „Herumstochern“ in Filterblasen führt mitunter dazu, dass sich ein Kollektiv formiert, dass die Absurditäten und Verschwörungstheorien des Kontrahenten lauthals unterstützt.
Der verblendete Provokateur
Viele Jahre habe ich die Hoffnung gehegt, dass sich ein Provokateur aus meinem engsten Freundeskreis irgendwann mal wieder fängt und seiner – zweifelsohne vorhandenen – Intelligenz gerecht wird. Leider hat er zum Jahresende relativ unmissverständlich unter Beweis gestellt, dass die Verbreitung von Hetze, Lügen und Verschwörungstheorien weiterhin einen festen Platz in seinem kommunikativen Repertoire einzunehmen scheint.
In einer (Corona-bedingten) virtuellen Zusammenkunft unserer Clique via Zoom machte er keinen Hehl aus seiner Sympathie für rechtes Gedankengut und auch nicht daraus, dass er mit einem der wohl bekanntesten und gefährlichsten Verschwörungstheoretiker unseres Landes sympathisiert (ich erwähne den Namen des Verschwörungstheoretikers an dieser Stelle bewusst nicht, um dieser verirrten Gestalt nicht mehr Aufmerksamkeit zu schenken als nötig). Gleichzeitig betonte er dabei, ich sei „dumm, dumm, dumm“, u.a. weil ich ein „Merkel-Anhänger“ sei.
Ganz abgesehen davon, dass meine politische Orientierung sich ganz sicher mit dem Titel „Merkel-Anhänger“ beißt, bleibt bei dieser unsäglichen virtuellen Konfrontation mit diesem Provokateur letztlich nur die Erkenntnis, dass ich meine Energien für sehr viel zielführendere Dinge einsetzen kann, als sie für den sinnfreien Dialog mit verblendeten Kommunikations-Aggressoren zu verschwenden. Dass sich die Person einem sachlichen Diskurs abrupt entzog, als sie mit Fakten konfrontiert wurde, unterstreicht lediglich die Theorie, dass sich hart gesottene Anhänger von Verschwörungstheorien und Verbreiter von Mutmaßungen und Falschmeldungen, Fakten meistens nicht stellen wollen und an einer bedenklichen Beratungsresistenz und Kritikunfähigkeit leiden. Ich werde meine langjährigen Hoffnungen auf Besserung des Provokateurs wohl leider bis auf unbestimmte Zeit begraben müssen.
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Ich bin überzeugt, der eine oder andere Leser dieser Zeilen wird im eigenen Umfeld ähnliche Situationen erlebt haben. Andere blieben glücklicherweise davon verschont. Und ja, mir ist durchaus bewusst, dass ich mit Konfrontationen dieser Art rechnen muss, wenn ich mich „in die Höhle des Löwen“ begebe. Gleichwohl – und somit gehen wir in den Teil über, in denen wir auf die guten Vorsätze zu sprechen kommen – habe ich mich entschieden, die Vehemenz, mit der ich in der „Höhle der Löwen“ argumentiere, auf eine noch sachlichere Ebene zu führen.
Mein engster Freundeskreis gab mir jüngst das konstruktive Feedback, dass meine „belehrende Art“ mitunter kontraproduktiven Charakter habe. Durch meine unzähligen Diskussionen mit „Quarkdenkern & Co.“ scheine ich den selbstreflektierenden Blick auf meine eigene Art der Kommunikation verloren zu haben. Die Erkenntnis nunmehr: Weniger Emotionalität bei der Argumentation könnte in meinem Fall nicht schaden. Wahrscheinlich haben die Aussagen in diesem Text auch noch einen Hang zur „Belehrung“. Ganz ohne emotionalen Touch wäre ja irgendwie auch weniger spannend. Aber versprochen: Ich arbeite daran. Rom wurde schließlich auch nicht an einem Tag errichtet…
Mein zweiter, guter Vorsatz: Ein unschlagbares Argument dafür finden, dass die Kritik an gesellschafts- und menschenfeindlichen Inhalten nichts mit fehlender Toleranz und der Einschränkung von Meinungsfreiheit zu tun hat. Es gibt leider immer noch zu viele Menschen, die mir und anderen Kritikern vorwerfen, Andersdenkenden unsere Meinung aufdrängen zu wollen, indem wir deren verbreiteten Falschmeldungen und/oder asozialen (im Sinne von „nicht sozialen“ oder „nicht gemeinschaftsfähigen“) Aussagen mit den tatsächlich vorherrschenden Fakten begegnen.
Dritter, guter Vorsatz: Finalisierung des Thrillers mit dem Arbeitstitel „Krieg der Dummen“. Ich habe in den vergangenen Jahren wahrlich genug Material sammeln dürfen, um einen spannenden Roman mit stark authentischem Bezug zu schreiben. Ich möchte an dieser Stelle noch nicht zu viel über den Handlungsstrang verraten. Aber, drei Protagonisten finden mit ihrer (mehr oder weniger) vollständigen Geschichte auf jeden Fall (anonymisiert) ihren Platz in dem Werk: der gekränkte Restaurantbetreiber, das gefangene Familienmitglied und der verblendete Provokateur.
Diese drei – auf das Thema Kommunikation bezogenen – Vorsätze verbinde ich mit einer Hoffnung für die kommenden Monate. Allen voran wird der wohl mächtigste Verbreiter von Verschwörungstheorien in diesen Tagen endgültig sein Amt niederlegen müssen. Wir werden zwar noch mit ein paar kommunikativen Störfeuern aus dem Trump-Lager rechnen müssen, doch mittelfristig wird der neue US-Präsident Joe Biden einen sehr viel gesellschaftsfreundlichen Kurs aufnehmen, der sich hoffentlich mittel- und langfristig auch positiv auf die hiesige gesellschaftspolitische Stimmung auswirken wird.
Außerdem hege ich die Hoffnung, dass sich die demokratisch-orientierten Parteien im Bundestagswahljahr 2021 thematisch auf die wesentlichen Dinge des gesellschaftlichen Lebens konzentrieren. Etwa auf das Solidaritätsprinzip, auf den respektvollen Umgang miteinander, auf die Hilfe Bedürftiger – ganz gleich welcher Nationalität, auf den Kampf gegen den wieder aufkeimenden Rechtsruck in unserer Gesellschaft, die zielführende Kombination aus wirtschaftlichen und sozialen Zielen und auf den Vertrauensaufbau in die politische Arbeit. Nicht zuletzt, um etwaigen Verschwörungen und demokratiefeindlichen Tendenzen aus dem rechten Lager von Beginn an den Nährboden zu entziehen.
Das neue Jahr bietet zudem die Chance, dass sich immer mehr Menschen klar gegen Verschwörungstheorien, rechte Hetze, Falschmeldungen, Respektlosigkeiten und Provokationen positionieren. Es ist nicht das Jahr für falsch verstandene Geduld mit den Agitatoren und die Ignoranz ihrer menschen- und gesellschaftsfeindlichen Aussagen. Es ist das Jahr, in dem wir uns entschieden von der schädlichen Phantasie konspirativer Kräfte distanzieren und den Fokus auf das faktenbasierte Geschehen richten.
Das Motto lautet: Aufklärung statt geistiger Dünnpfiff; Respekt statt Hass und Häme!
In diesem Sinne wünsche ich allen Leserinnen und Lesern einen entspannten Start ins Jahr 2021. Ich hoffe, meine Zeilen dienen womöglich als Initialzündung, ebenso einen Beitrag zur „Normalisierung“ unserer Kommunikationskultur leisten zu wollen. Sofern dieser nicht ohnehin schon erfolgt…
FROHES NEUES – VOR ALLEM FRIEDLICHES – JAHR!